Rechtsprechung: Umkleidezeit als Arbeitszeit?
Im bei dem Arbeitgeber anwendbaren Nahverkehrs-Tarifvertrag (BzTV-N BW) war geregelt, dass die Arbeitszeit aus der reinen Dienstschicht besteht. Arbeitsplatz ist das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.
In einer Betriebsvereinbarung regelten die Betriebsparteien eine pauschale Einrechnung von insgesamt 10 Minuten pro Schicht für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie für Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle. Außerdem gibt es eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Dienstkleidung. Darin wird den Beschäftigten das Tragen der vom Arbeitgeber beschafften Dienstkleidung auferlegt. Umkleidemöglichkeiten an den Übernahme-/Ablösestellen gibt es nicht.
Problem: Einerseits müssen die Beschäftigten gemäß der BV die Dienstkleidung bei der Arbeit tragen, anderseits besteht an den Übernahme-/Ablösestellen keine Umkleidemöglichkeit. Entweder die Beschäftigten legen die Arbeitskleidung bereits zuhause an und legen den Weg zur Arbeit damit zurück. Oder die Beschäftigten begeben sich zuerst zum Betriebshof zum Umkleiden, um dann von dort aus die Übernahme-/Ablösestelle aufzusuchen.
Handelt es sich in beiden Konstellationen um Arbeitszeit i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG?
Laut BAG ist Umkleidezeit = Arbeitszeit, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Z.B. bejaht für besonders auffällige Dienstbekleidung.
Anders als das LAG bejahte das BAG hier die Auffälligkeit der Kleidung. Maßstab nicht: grelle Farben, große Schriftzüge, sondern: es kommt lediglich auf die Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit an.
BAG: Arbeitszeit (+), denn der AN nutzt die vom AG eingerichteten Umkleidemöglichkeiten.
BAG: Arbeitszeit (-), denn der AN könnte die Umkleidestellen des AG nutzen. Wenn er dies nicht tut, ist das Tragen der Arbeitskleidung auf dem Weg zur Arbeit nicht ausschließlich fremdnützig.
RA Sebastian Günther HAHN | KROLL | GÜNTHER Rechtsanwälte Berlin